Stift Cappel seit 425 Jahren evangelisch – Teil 4:

Ursprünglich veröffentlicht auf Elippse.de (offline seit 3. Juli 2015)

Exkursion nach Detmold

Als die Teilnehmer der von Pfarrer Dr. Roland Hosselmann organisierten Schlossbesichtigung Filzpantoffeln über ihre Schuhe gezogen hatten, ging es in den Roten Salon, den Empfangssaal des Schlosses zu Detmold. Die mit rotem Seidendamast bespannten Wände hinterlassen ebenso Eindruck, wie Porzellan aus China und Meißen, der französische Ziertisch und der Delfter Fayence-Ofen. Fotografieren war nicht erlaubt.

Im Ahnensaal Bekannte getroffen

Im Ahnensaal wurde der Gruppe aus Cappel bildlich die Verbindung des Schlosses zur Lippe mit dem Stift Cappel vor Augen geführt: In 42 Ölgemälden schmücken die regierenden Edelherren, Grafen und Fürsten zur Lippe, teils mit ihren Gemahlinnen, die Wände des imposanten Rittersaales. Die Reihe beginnt mit Bernhard VII. (1430 – 1511), der zu einer Zeit lebte, als das Haus Lippe schon lange prägenden Einfluss im Stift Cappel hatte. Die Forschung zur Geschichte des Stiftes Cappel kann belegen, dass seit dem 13. Jahrhundert Verbindungen zum Hause Lippe als finanzstarkem Förderer bestehen. Bernhard II. – in Lippstadt der wohl bekannteste Edelherr, der Stadtgründer persönlich – findet sich zwar nicht bildlich im Ahnensaal, so aber in Vermutungen Cappeler Historiker als jemand wieder, der noch vor der Stadtgründung Lippstadts (1185) in Cappel großen Einfluss gehabt haben könnte.

Zwei „Paulines“ – Fürstin Pauline und Äbtissin Pauline

Aus dem Hause Lippe wurde immer die älteste Tochter Äbtissin in Cappel, was von 1628 bis 1906 ausnahmslos auch so praktiziert wurde. Die letzte Äbtissin Cappels, die auch im Stift gelebt hat, war Pauline – nicht zu verwechseln mit Fürstin Pauline! Deren Porträt ist im Elisabethsaal des Schlosses zu Detmold neben der „schönsten Dame der Zeit“ – Elisabeth – zu besichtigen.

Viele der großen hohen Räume waren geschmückt mit Wandteppichen, viele Quadratmeter groß; teils dienten Rubensgemälde als Vorlage. Die Cappeler Besucher bestaunten nicht nur die Pracht der gewaltigen Kunstwerke, sondern auch die Herstellungsdauer: Ein Teppichweber schafft pro Jahr – je nach Motiv – ein bis zwei Quadratmeter herzustellen. Wandschmuck dieser Art hatte Lieferzeiten von bis zu zehn Jahren – heute unvorstellbar.

Smartphone löst Kabinettschrank ab

Vom Jagdzimmer gingen die Cappeler Besucher in den Fahnensaal, wo es neben französischem Gobelin aus dem 18. Jahrhundert einen Kabinettschrank zu sehen gab. Öffnet man die zweitürige Front, kommen viele kleine Schubladen und ein luftdichtes Fach zum Vorschein. Dort wurde alles aufbewahrt, was einem lieb, wert und teuer war. Hatte man Besuch, führte man diesen (auch) zu diesem Schrank und zeigte stolz seine Kostbarkeiten. „Heute hat man all so etwas in seinem Smartphone“, wandte einer der Besucher ein. „Mein Haus, mein Auto, mein Pferd – alles fotografiert und stets bereit, gezeigt zu werden.“

Fürstin Pauline lebt

Fürstin Pauline (2)Nach der Schlossbesichtigung war ein Treffen mit Fürstin Pauline verabredet: Wieder lebendig geworden erzählte sie (die Stadtführerin Margret Klüpper) bei einem Rundgang durch die historische Altstadt Detmolds von sich und ihrem Leben: schon sehr früh habe ihr Vater sie in seine Amtsgeschäfte eingeführt und gelehrt, ein Fürstentum zu regieren. Mit 13 Jahren habe sie nicht nur die französische Korrespondenz geführt, sondern sei die rechte Hand ihres Vaters gewesen. Den zweiten Heiratsantrag Leopolds zur Lippe habe sie angenommen, doch dieser verstarb früh. Sie übernahm dessen Amtsgeschäfte, führte erfolgreiche Verhandlungen mit Napoleon und schloss Verträge mit Preußen, Österreich und Russland.

Soziales Engagement

Neben ihrem politischen Geschick ist heute vor allem ihr soziales Engagement in Erinnerung geblieben: Sie gründete einen Kindergarten, um Müttern die Möglichkeit zu geben, sich eine Arbeit zu suchen; sie legte das wenige Geld der Armen an und zahlte nur die Zinsen aus, damit diese ihr Geld nicht „versoffen“. So konnte Fürstin Pauline in späteren Jahren den Kindern der Armen ein Startkapital für deren Leben zur Verfügung stellen. Darüber hinaus erreichte sie, dass angehende Lehrer auch Waisen- und arme Kinder unterrichteten; sie organisierte tägliche Armenspeisungen und vieles mehr. Fürstin Pauline lebte von 1769 bis 1820 – und die Zuhörer der Stadtführung beschleicht am Ende der Exkursion nach Detmold das bittere Gefühl, dass viele soziale Probleme der damaligen Zeit auch heute noch traurige Realität sind.

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